Letztes Wochenende war ich nochmal in den Alpen, Kindersport machen. Für ca 640 Kilometer Strecke haben wir knapp 5 Stunden gebraucht - das war ziemlich gut. Ist zwar anstrengend, an einem Donnerstag abend nach einem kompletten Arbeitstag zu starten, aber wenigstens kommt man gut durch. Anscheinend hatten alle Idioten, die normalerweise ihr Unwesen auf der Autobahn treiben, Hausarrest. Keine Drängler, keine "oh am Horizont ist ein LKW, ich fahr mal lieber jetzt sofort nach links"-Kollegen, kein Stau, kein garnichts. Eine völlig entspannte Fahrt in den Schnee.

Wir hatten erst am Mittwoch eine Pension klargemacht, und vereinbart, dass wir uns von unterwegs melden würden, sobald abzusehen sei, wann wir in etwa eintreffen würden. Dabei war schon klar, dass es in der Nacht sein würde, was aber für den Pensionswirt in Ordnung ging.

Wir kamen so gegen halb eins vor Ort an, und wurden per Handy zur Pension gelotst, die recht hoch am Berg, fast direkt an der Abfahrtspiste, lag. Die Straße war natürlich komplett zugeschneit, und wir kamen gerade so den Berg rauf, ohne Schneeketten aufzuziehen.

Vor der Pension stand eine untersetzte Gestalt im Dunklen im Schnee und wies uns den Weg in die richtige Einfahrt, die wir sonst sicher verpasst hätten.
"Da seits ihr ja" begrüsste uns eine hohe Stimme, als wir aus dem Auto ausstiegen, und die Gestalt entpuppte sich im Näherkommen als Frau unbestimmbaren Alters jenseits der 50, die in Klocks und knapp über knielangem Rock durch den Schnee gestapft kam. Die Augen waren hinter dicken Brillengläsern kaum zu sehen, und um den Mund spross ein veritabler grauer Damenbart. "Mir hams aich schon gesehn, seit ihr drunten ins Ort eini gfahrn seits" verkündete sie nach der Begrüssung, und half uns, unsere Sachen ins Haus zu tragen. Tatsächlich war die Aussicht über das Tal grandios, was wir aber erst am nächsten Morgen feststellten, weil in der Nacht alles stockdunkel war.

Frau Flodder, wie wir sie insgeheim nannten, zeigte uns den Skikeller und unser Zimmer, die Dusche und die Toilette auf dem Gang, und zum Schluss das Frühstückszimmer, welches zugleich auch das Wohnzimmer und das Büro war. Neben Holztischen, auf denen Tischdecken aus Stoff lagen, die mit dicker transparenter Plastikfolie abgedeckt waren, beherbergte das Zimmer noch einen Computer in der Ecke, eine dunkle Schrankwand mit Fernseher und allerlei Nippes, einen Kühlschrank, einen durchgeknallten Hund und den Sohn, der mit gebrochenem Fuss in Gips auf einer Sitzbank thronte.

Mittlerweile war es kurz vor eins. "Wollts ihr noch ahn Schnapserl?" fragte uns Ma Flodder, und schaute uns aus beschlagenen Brillengläsern an. Ja klar, so zur Begrüssung, das gehört ja irgendwie dazu. Schneller als wir schauen konnten, waren vier große Schnapsgläser und eine Flasche ohne Etikett auf dem Tisch, und die Gläser randvoll gefüllt.

Nach dem ersten Schluck war mir klar, dass dieser Schnaps ernstgemeint war. Erwartungsvoll blickten Mutter und Sohn in unsere Gesichter. Offenbar zufrieden mit dem leicht überraschten Ausdruck darin, meinte Ma Flodder: "Den brenn i soilbst". Aha! "Beim letztn Messen hats er zwahunvierzg Umdrehung g'hobt" ergänzte Sohn Flodder. Aha!! "Wir machn den aus den Äpfeln vom Kirchgartn... dafür bekommt der Pfarrer auch 15 Liter..." (heiliger Geist quasi?)

Während wir uns also über dies und das unterhielten, machte die Flasche immer wieder wie durch Zauberhand die Runde, bis wir endlich irgendwann zwischen zwei und halb drei auf unser Zimmer gehen konnten - jeder mit mindestens 4 doppelten selbstgebrannten Flodder-Obstlern intus.

Während ich mir noch Gedanken machte, wann man eigentlich blind wird, wenn Fuselalkohole im Spiel sind, fuhr die original 70er-Jahre Einrichtung des Zimmers Karusell, und dann war ich auch schon eingeschlafen.

Es spricht für den Flodderschnaps, dass wir trotzdem am nächsten Morgen um acht zum Frühstück erschienen, und dass alle Gliedmaßen noch am richtigen Platz waren - so konnte der erste von drei großartigen Tagen im tiefen Schnee beginnen. :-)