Der Hessische Rundfunk hat in seinem zweiten Hörfunkprogramm den "Mythos Troja" ausgerufen und sendet im September an jedem Werktag einen Gesang aus Homers Ilias, morgens um 9:30h und abends ab 22:00h in der Wiederholung vom vormittag.
Grundlage für das Hörspiel ist die neue Interpretation des Stoffes von Raoul Schrott (erscheint zur Buchmesse 2008 bei Hanser, München), der von 2005 bis 2007 den Text aus dem Altgriechischen übertrug. Dabei verzichtete er auf den Hexameter und nahm sich die Freiheit, die Texte ziemlich zeitgemäss zu interpretieren - und holte sich dafür eine ordentliche Watsche in einer Vorabbesprechung von Wolfgang Schuller (emeritierter Professor für Alte Geschichte) in Der Welt (Wenn Bettpfosten wackeln …) ab.
(...) Es mag sein, dass auf diese Weise Bevölkerungskreise angesprochen werden, die bisher keinen Zugang zu dieser Dichtung hatten.
Freilich dürfte dieser Zugang in eine Sackgasse führen, und selbst wenn dadurch wirklich ein ernsthaftes Interesse geweckt werden sollte, könnte es leicht geschehen, dass Erbitterung darüber eintritt, so auf den falschen Weg geführt worden zu sein. Es bedürfte eines ganz großen Dichters, um eine Übersetzung vorzulegen, die zeitgenössisch und lesbar ist und neue Leser erreicht, die aber gleichzeitig diese Dichtung ernst nimmt und ihre Stilhöhe wahrt. Die dazu erforderlichen Kenntnisse sind nicht in Crashkursen zu erwerben, und mit Zuflucht zu einer trivialisierenden und vulgarisierenden Alltagssprache, die zudem noch uneinheitlich angewandt wird, ist dieses Ziel nicht zu erreichen. (...)
Wahrscheinlich zähle ich zu der in der Kritik erwähnten "Bevölkerungskreise", denn ich fand die Sendung des vierten Gesangs, die ich durch Zufall abends im Autoradio hörte, fantastisch. Fantastisch, gerade weil es einen modernen Flow hat. Durch die Sprache, den Sprecher (Manfred Zapatka) und die sparsam eingesetzten Hintergrundgeräusche wirkt das Ganze bewusst produziert, eigenständig und ist genau nicht eine 1:1 Adaption des alten Stoffes, die die Fremdheit der Altgriechischen Kultur transportieren muss. So gut, dass ich gleich morgens den 5. Gesang ebenfalls einschaltete und mich erneut an dem Gemetzel, der Blödheit der Helden und an den Intrigen der Göttern erfreute.
Bei Wahrung des Dekors und nach dem neuesten Forschungsstand öffnet Schrotts Neufassung den Blick auf Homers Werk. Sie trägt in heutiger Sprache die Patina der alten weihevollen Übersetzungs- und Rezeptionsweisen ab und lässt die »Ilias« erstrahlen als das erste lebenssatte Meisterwerk abendländischer Kultur – ein Werk, das endlich auch einem zeitgenössischen Publikum in vollständiger Fassung erschließbar wird. - von der hr2 Website
Mir persönlich gefällt der unverkrampfte Umgang mit dem Stoff. Es mag sein, dass mir die Finessen in den Homerischen Formulierungen entgehen, es mag sein, dass es teilweise zu flapsig daherkommt - aber als eigenständiges Format, als Interpretation finde ich das Projekt gelungen.