Spoiler alert: Es geht um meine Beziehung mit meinem Hosting Anbieter. Just sayin'.

Ich bin ein sehr treuer Mensch. Ich bin auch ein Gewohnheitstier. Und oft auch Libero im Team "never change a running system". Aber natürlich niemand, der "das haben wir schon immer so gemacht" vor sich her trägt, bewahre. Will sagen, es dauert bei mir eine sehr lange Zeit, bis ich mich durch das Pro und Kontra, für und wider, hü oder hott durchgearbeitet habe und eine Entscheidung treffe.

So kam es, dass ich irgendwann gegen Ende der 90er Jahre dann doch endlich mal weg vom damals wirklich ziemlich grottigen Strato hin zur DomainFactory wechselte. Und es gab in den fast 15 Jahren auch selten Grund für Beziehungsstress, im Gegenteil -- die Technik war schnell, der Support immer kompetent, freundlich sowieso, und ich hatte wirklich das Gefühl, da in guten Händen zu sein.
In meiner romantischen Vorstellung hatte ich es bei der DomainFactory mit Menschen zu tun, die abends, bevor sie heim gehen, nochmal durch den gut riechenden Serverraum schlendern, hier und da ein paar Patschkabel zurecht zupfen, Gehäuse steicheln und sich freuen, wenn die Maschine schnurrt. Das war "meine" DomainFactory.

Im Zuge der Debatten um Netzfilter, Zensursula, viel später dann die Snowden-Enthüllungen und des stetig anwachsenden eigenen Wissens darum, wie man mit den Netzwerken und Servern so umgeht, war es immer auch irgendwie beruhigend zu wissen, dass die Serverflüsterer der DomainFactory meine Daten bei München auf einem Bauernhof in einem Serverzentrum stehen hatten.

Weil ich mich da so gut aufgehoben fühlte, sah ich darüber hinweg, dass so manche Features, die meine Bastlerseele erfreuen würden, nicht oder erst später als bei anderen, spezialisierteren, Providern verfügbar waren. Das Gesamtpaket war weiterhin stimmig. Deshalb habe ich auch fast allen Kunden, die entweder neue Webauftritte planten oder die ein Upgrade/Redesign vorhatten, DomainFactory empfohlen. Auch unser eigener Firmenserver steht dort.

Vor nicht allzulanger Zeit bekam diese tolle Beziehung einige kleine Risse: "Meine" Serverflüsterer wurden von der HostEurope-Gruppe aufgekauft und damit Teil eines großen Konstrukts, quasi die Antithese zu meinem eingebildeten Serverbauernhofbild. Erfreulicherweise hatte das aber, entgegen einiger Befürchtungen, keine Verschlechterung in den für mich relevanten Bereichen nach sich gezogen, und so schlossen sich die Risse wieder.

Bis dann im (vor)letzten Jahr verkündet wurde, dass die Serverhardware weg vom Bauernhof, rüber nach Frankreich in das Serverdock der HostEurope umziehen werden.

Das gab dann mächtig Wallung in den DomainFactory-Foren, denn immerhin hatte man jahrelang mit dem "Hosting in Germany" Claim geworben und so natürlich auch einen eher Datenschutz-sensiblen Kundenstamm herangebildet, gerade auch im "Reseller" Bereich, wo viele Anbieter den Standort Deutschland als Verkaufsargument wiederum ihren Kunden gegenüber vertraten. Die gingen also auf die Barrikaden. Man muss der DomainFactory zugute halten, dass sie darauf reagierten und erkannten, dass der Plan, einfach alle Rittal-Schränke auf Lastwagen zu packen und nach Frankreich zu fahren, doch nicht so einfach war.
Letztlich wurde dann eine Option aus dem Hut gezogen, mit der man für einen knapp 10% Aufpreis zum bisherigen Paket in Deutschland verbleiben durfte -- HostEurope hat neben dem Dock in Frankreich wohl auch noch ein Housing bei Köln, also sind ein paar der gepolsterten LKWs dann dahin abgebogen. Der Aufpreis, ja das ist so ne Sache, und auch da gab es natürlich wieder Gegenwind in den Foren. Wieso soll man mehr bezahlen, um eine Änderung eines Status, der ursprünglich mal relevant war für die Entscheidung, sich zur DomainFactory zu begeben, zu verhindern? Das leuchtete vielen nicht echt ein, und ich denke, DomainFactory hat in der Zeit einige der treuen und langjährigen Kunden verloren.

Der nächste Riss in der Beziehung: Die beharrliche Weigerung, die kostenlosen Let's Encrypt Zertifikate zu unterstützen. Stattdessen der Hinweis auf (relativ) günstige Alpha-Zertifikate und seit kurzem ist sogar ein SSL-Zertifikat kostenfrei enthalten in den neueren Paketen, was mir als Bestandskunden aber nichts nutzt, denn ich habe seit Jahren ein zu bezahlendes Zertfikat, und das wird auch weiter fleissig abgerechnet. Es hat mir auch (zu) lange gedauert, bis man endlich PHP7 angeboten hat. Kurz: Ich habe das Gefühl, dass DomainFactory sich mehr und mehr zu einem Mainstream(massen)hoster entwickelt, während meine eigene Bedürfnislage sich mehr und mehr in die Gegenrichtung bewegt hat.
Das passt irgendwie nicht mehr. Ähnlich hat mein Freund Holger das Mitte des Jahres in seinem englischen Blog beschrieben:

After many years of being in a relationship, things might get a little more complicated and less exciting, and you’re starting to think if it's still right, ways to get through this, if it’s worth it or if it would be better to move on. This is how I currently feel about DomainFactory, one of the hosting companies that I have been with for a long time, pretty much exactly since the second half of 2003. And on the internet, this is a very, very long time.

So, und gestern dann der nächste Kracher:
HostEurope, das DomainFactory Mutterschiff, ist von GoDaddy übernommen worden.

Das ist noch alles ganz frisch und während Teile meiner Twitter-Timeline nun schon fleissig die Umzugskisten packen und zu anderen Providern wechseln, weil sie keinen Bock auf den US-Konzern und dessen Datenschutzverständnis und/oder CEO haben (gerade auch mit der bevorstehenden Trump-Administration am anderen Ende der NSA-Leine), muss ich erstmal gut darüber nachdenken, was das nun für Konsequenzen hat.

Es ist kompliziert, wie gesagt.