Die letzten Tage waren etwas ruhiger hier, und die saftige Erkältung, die ich mir beim vorweihnachtlichen Auftritt im Regen geholt hatte, ist auch so weit abgeklungen, dass ich wieder einigermaßen klar denken kann und will.

Daher habe ich mich einer Sache angenommen, die ich bestimmt schon seit drölf Jahren immer mal wieder wissen wollte, es aber dann doch nie großartig weiterverfolgt hatte, weil es, ausser einem theoretischen Interesse, keinen konkreten Anwendungsfall für mich gab. Wieso sitzen die Bundstege an Gitarren und Bässen da, wo sie sitzen? Gibt es eine Logik, bzw. wie errechnet man, wo die sitzen müssen?

Ich spiele ja nun schon seit einer ganzen Weile Gitarre und Bass, aber die Physik, die sich dahinter verbirgt, ist mir bestenfalls nur so ungefähr bekannt.
Klar weiss ich zum Beispiel, dass sich am zwölften Bund die Saitenlänge zwischen Sattel oben am Hals und Steg unten an der Brücke genau halbiert, und irgendwo habe ich auch mal mitbekommen, dass sich die Frequenz der Saite dort verdoppelt. Also zum Beispiel: die leere A-Saite bei einer standardgestimmten Gitarre schwingt mit ca 110 (A2), gegriffen am zwölften Bund ist es wieder ein A, allerdings eine Oktave höher (A3) und schwingt mit ca 220hz. Damit war es aber auch schon gut mit dem "Wissen".

Da ich auch bislang noch kein Interesse daran hatte mir ein Instrument selbst zu bauen, gab es auch keinen Anlass, da weiter nach dem Wieso der Anordnung zu forschen. Aus gestalterischen Aspekt heraus interessiere ich mich aber, wie so Verhältnisse und Proportionen definiert sind, und ich finde diese kontinuierlich abnehmenden Abstände zwischen den Bünden auf einem Instrumentenhals auch ästhetisch ansprechend.

Lange Rede, kurzer Sinn, ich bin in die Suchmaschine des geringsten Misstrauens abgetaucht und habe nach Erklärungen gesucht. Das war erstmal gar nicht so einfach, obwohl ich mittlerweile haufenweise und nun auch recht offensichtliche Artikel und sogar Tools gefunden habe, die einem das erklären und ausrechnen. Vielleicht, weil ich zunächst unter der irrigen Annahme, dass vor allem erst einmal die Länge des Halses, bzw. der Mensur, eine Vorgabe macht, kam ich nicht weiter. Ich wurde nur stutzig, als ich dann einen Artikel fand, in dem sinngemäss stand, dass die Länge der Mensur Geschmacksache sei und letztlich egal, und dass der limitierende Faktor eher darin liegt, dass man zu kleine Mensuren nicht greifen kann und bei zu großen die Abstände zwischen den Bünden zu groß werden, um da noch Akkorde greifen zu können. Aber für die Physik und den Grund, warum die Bünde an ganz bestimmten Stellen sitzen, spielt die Länge tatsächlich keine Rolle, da es sich um Verhältnisse handelt. Später fand ich noch Artikel, die Saitenspannung und üblicherweise erhältliche Saitenlängen als in der Praxis limitierende Faktoren angaben.

Den besten Artikel, den ich gefunden habe, ist der hier. Vorher bin ich über den Fretposition-Calculator gestolpert, der zwar super ist, aber nicht erklärte, welche Logik oder Formel hinter den errechneten Zahlen steht, und auch meine Versuche, das Ding via Dev-Tools zum Verrat der Formel zu überreden, fruchteten nicht. Aber ich wollte ja nicht einfach nur gesagt bekommen, wo die Bünde hingehören, sondern verstehen, wieso -- und da ist der erste Artikel eine Goldgrube.

Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach, wie dieser weitere Artikel ausführt:


To divide the octave into twelve equal parts, we must determine a constant that, when multiplied successively to the frequency twelve times, doubles the initial frequency. The constant that accomplishes this is the twelfth root of two or 1.059463 (rounded to six decimal points). If the frequency of A4, 440 Hertz, is multiplied by 1.059463 you obtain the frequency of A#4 (that is A Sharp 4) which is 466.16. Multiplying 466.16 Hertz by 1.059463 yields the frequency of B4 which is 493.88. Repeating this process twelve times in all culminates in the calculation of the frequency of A5 which is 880. Note that the ratio between any two successive notes is equivalent to the twelfth root of two. For example, the ratio of the frequencies of C5 and B4 is 523.25 divided by 493.88 which is 1.0595.

Alles klar? :-) Bitte lest den Artikel, da gehts noch tiefer rein und erklärt dann, wieso da das magische Verhältnis von 17,817 rauskommt - das ist die Zahl, durch die man die Mensurlänge teilt, und damit die Position des ersten Bundes erhält. Mensur minus diese Zahl, wiederum geteilt durch 17,817, plus der Zahl aus dem ersten Durchgang, ergibt die Position des zweiten Bundes, und dann immer so weiter. Der erste Artikel weiter oben dampft dieses sukzessive Rechnen in eine Formel ein, die man durchloopen kann - und Tschakka, das ist, was ich gesucht hatte.

p = m / 2 ^ n/12
p = Position des Bundes, m = Mensurlänge, n = Nummer des Bundes

Fast forward zum Blog hier: Nachdem ich also gelernt hatte, dass die Länge der Mensur egal ist, kam mir gleich die Idee, dass ich den Gitarren-Saiten in meinem Blog-Header ja nun ein Griffbrett untendrunter spendieren könnte, und das müsste sich ja dann auch responsive verhalten -- die Abstände der Bünde verändern sich im Verhältnis zur Länge der Mensur, aber in sich immer gleich.

Ich weiss nicht, ob ich es schon mal anderswo geschrieben habe, aber ich liebe SVG. Mit den Formeln aus dem erwähnten Artikel, etwas PHP-gezupfe und herumkritzeln auf diversen Zetteln konnte ich heute schon mal einen Etappensieg einfahren; die Bundstege und sogar die Griffbrettmarker sind nun (hoffentlich dezent genug) im Header eingebaut.

Screenshot der Headerillustration mit Gitarrensaiten und Bünden

Die Idee, die sich nun an diese vor allem visuelle Erweiterung anschliesst: Da man die Saiten ja "anspielen" kann, wie geil wäre es, wenn der "Bund", an dem man sie "zupft", auch den Ton verändern würde?
Ich habe keine Ahnung, ob die HTML5 Audio-API das hergibt, da ich bestimmt _nicht_ jede einzelne Saite und jeden Bund als Audio-Sample hinterlegen will. Aber vielleicht ist es ja machbar, die Samples der Leer-Saiten, die ich bereits eingebaut habe, in der Frequenz zu verändern, je nachdem, in welchem Bund man sie "zupft". Hm. Könnte mir vorstellen, dass das nicht echt gut klingt, aber wäre auf jeden Fall mal ein interessantes Experiment.